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Gender

Gender kommt aus der englischen Sprachwissenschaft. Dort wird unterschieden zwischen Sex und Gender. Sex bezeichnet das biologische Geschlecht von Lebewesen (die Henne, der Hahn). Gender dagegen bezeichnet das grammatikalische Geschlecht von Substantiven, die kein biologisches Geschlecht haben, z.B. die Sonne, der Mond. Diese Substantive haben kein "natürliches" Geschlecht, sondern ihnen wurde eins zugewiesen (im Deutschen der Sonne das weibliche, dem Mond das männliche und im französischen genau umgekehrt: la lune und le soleil). Gender bezeichnet in der Sprachwissenschaft also ein zugeschriebenes Geschlecht. In dieser Bedeutung wurde der Begriff in die Soziologie übernommen. Menschen, so die neue These der Soziologie, haben als Lebewesen nicht nur ein biologisches Geschlecht, sondern auch ein soziales - ein zugeschriebenes. Wir erkennen unser Gegenüber als Mann oder Frau weniger am biologischen Geschlecht also anhand primärer Geschlechtsorgane - die ja meist verhüllt sind - als mehr an sekundären Merkmalen wie Kleidung, Gestik oder Frisur. Dabei hilft uns außerdem, dass wir uns nach bestimmten Mustern verhalten, die in unserer Kultur als männlich oder weiblich gelten. Das Schlagwort heißt: Doing Gender. Wir haben also nicht nur ein Geschlecht, ein biologisches, sondern wir tun es auch, wir stellen unser soziales Geschlecht her durch unsere Erscheinung und unser Verhalten. Dabei werden wir geleitet - mitunter auch eingeengt - von gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen. Sie bündeln was in unserer Zeit und unserer Kultur als typisch weiblich oder männlich angesehen wird - Mädchen rosa, Jungs blau z.B. Geschlechterrollen aber sind nicht von Natur aus gegeben, sondern kulturell bedingt. Sie unterscheiden sich je nach Ort und Zeit. So galt das Reiten bei uns früher im Kontext von Jagd und Militär als männlich, während es heute eher ein Frauensport ist. In der arabischen Welt hingegen ist Reiten auch heute noch typisch männlich.

Hinter dem Stichwort Gender steckt also die Erkenntnis, dass es neben dem biologischen Geschlecht auch ein soziales gibt. Dass beides untrennbar ist, darauf hat die amerikanische Philosophin Judith Butler hingewiesen, denn wir sehen die Natur niemals ,an sich', sondern immer nur durch die Brille unserer Kultur. Kurzum: Wir sehen zwei Geschlechter, weil unsere Kultur zwei Geschlechter vorgibt: Männer und Frauen. Zu anderen Zeiten und an anderen Orten kann das durchaus anders sein.

Von Dr. Simone Mantei


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Publikationsdatum dieser Seite: Mittwoch, 21. November 2018 17:46