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Newsletter Sommer 2016

Newsletter Sommer 2016

Schwerpunktthema

Sondersammelgebiet zur Geschichte der rechtlichen Gleichstellung im Pfarrberuf

Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurden Frauen und Männer im geistlichen Amt der Evangelischen Kirche in Deutschland zunehmend gleichgestellt. In einigen Landeskirchen wurde dieses epochale Kapitel der jüngsten Kirchengeschichte durch Veröffentlichungen, Ausstellungen und Veranstaltungen bereits aufgearbeitet. Um die Publikationen auch über die Grenzen der Landeskirchen hinweg und für vertiefte Forschungszwecke zugänglich zu machen, hat das Studienzentrum für Genderfragen ein Sondersammelgebiet eingerichtet. Zusammengetragen wurden Materialien, die sich mit der Geschichte der rechtlichen Gleichstellung im Pfarrberuf in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland befassen. Die Palette reicht von Ausstellungskatalogen über wissenschaftliche Arbeiten bis zu publizistischen Beiträgen. Eine Literaturliste und eine Übersicht über die rechtliche Gleichstellung im geistlichen Amt finden sich eingestellt auf der Homepage des Studienzentrums. Unter dem Stichwort „Frauenordination“ kann auch online recherchiert werden in der Bibliothek des Kirchenamtes der EKD.

Weitere Literaturhinweise werden gerne aufgenommen. Bitte nehmen Sie dafür Kontakt mit dem Studienzentrum auf. Am besten per E-Mail an: info@sfg-ekd.de

Als erster Ergänzungsband zum Gleichstellungsatlas ist im Oktober zudem eine Veröffentlichung zur rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im ev. Pfarrberuf geplant.

 

Meldungen

Kirche von Lettland schafft Frauenordination ab

Frauen ist die Möglichkeit, als Pfarrerin in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands zu arbeiten, ab sofort verwehrt. Die Synode der Kirche beschloss in Riga mit einer Dreiviertel-Mehrheit die Abschaffung der Frauenordination. Bereits seit 1993 wurde keine Frau mehr ins Pfarramt ordiniert. Leitende Geistliche aus Deutschland zeigen sich entsetzt über diese Entscheidung.

Keine Frauenordination in Polen

Die Synode der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen  hat sich auf ihrer Tagung Anfang April gegen die Ordination von Frauen ins Pfarramt ausgesprochen. 38 Mitglieder stimmten dafür, 26 dagegen, 4 enthielten sich. Um Frauen den Weg ins Pfarramt zu ermöglichen, wären 46 Stimmen, also eine 2/3-Mehrheit, notwendig gewesen.

Neuer Masterstudiengang „Diversitätsforschung“ in Göttingen

Zum Wintersemester 2016/17 wird es einen neuen Masterstudiengang Diversitätsforschung an der Georg-August-Universität Göttingen geben. Es handelt sich um den ersten Studiengang dieser Art in Deutschland, da hier bislang ausschließlich Zertifikatskurse bzw. Studienangebote als Weiterbildung für Personen mit Berufserfahrung existieren.

EKBO sucht Studienleiter_in für Bildung in Vielfalt

Die Stelle einer Studienleiterin/eines Studienleiters für Bildung in Vielfalt (Diversity Education) hat das Amt für kirchliche Dienste der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) ausgeschrieben. Zu den Aufgaben gehören u.a. die Analyse der Situation in der EKBO zu den Themen Gendermainstreaming und Diversity und die Erarbeitung von Konzepten zur Fort- und Weiterbildung ehrenamtlicher und beruflicher Mitarbeiter_innen  zum Gender-Diversity-Management in Kirchenkreisen und in der Landeskirche.

Wirkung von „Debora“ als Programm zur Frauenförderung untersucht

Die Wirkung von Frauenförderungsprogrammen in Kirche und Diakonie wurde am Institut für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement in Bethel untersucht. Unter dem Titel „Schrittweise Ermutigung“ sind nun die Ergebnisse, die am Beispiel des Förderprogrammes „Debora“ untersucht wurden, auch online abrufbar. Als Fazit kommen die Autorinnen zu dem zu Schluss: „Insgesamt lässt sich das Förderprogramm Debora als wichtiger Baustein der Frauenförderung bewerten, durch den erste Schritte mit ermutigender Wirkung für Frauen und Träger möglich wurden. Ein Anfang ist gemacht, weitere institutionell verankerte Schritte sollten folgen, wenn die gesteckten Ziele nachhaltig erreicht werden sollen.“

 

Preise

Hanna Jursch-Preis für Wittenberger Theologin

Die Theologin Ulrike Witten erhält den mit 5.000 Euro dotierten Hanna-Jursch-Preis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die 33-jährige Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wird für ihre Dissertation "Diakonisches Lernen an Biographien" ausgezeichnet. Die 2014 veröffentlichte Arbeit untersucht Lehre und Wirken von Elisabeth von Thüringen, Florence Nightingale und Mutter Theresa.

Männertheologischer Predigtpreis

Unter dem Titel „‘Und ob ich schon wanderte‘ (Ps 23,4) – sich von seiner Sehnsucht finden lassen“ hat die Männerarbeit der EKD ihren „Männertheologischen Predigtpreis“ 2016 ausgeschrieben. Der Wettbewerb soll zu Predigtentwürfen anregen, die die Lebenswirklichkeit und die religiösen Themen von Männern zur Sprache bringen. Prämiert werden bis zu drei Predigten und der „Sonderpreis Frauen“.

 

Best Practice

Vorbildlich gendersensibel formuliert

„Die Evangelische Landeskirche Baden versteht sich als inklusive Kirche, die in menschlicher und theologischer Vielfalt im Geist Jesu unterwegs ist. In ihr sind alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität willkommen.“ Diese Formulierung wurde mit großer Mehrheit im April von den anwesenden Synodal_innen verabschiedet. Sie dient als Beispiel für eine gendersensible Formulierung zum Selbstverständnis einer Landeskirche.

 

Jede Familie ist anders – Familienaktion der EKHN

Unter dem Motto „Jede Familie ist anders“ macht die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) seit diesem Frühjahr auf die vielfältigen Möglichkeiten des Zusammenlebens aufmerksam. Sie will dabei auf die besondere Bedeutung der Familie hinweisen und zum Nachdenken über ihre vielen Formen aufrufen. In einem leuchtend roten Brief, der an knapp eine Million Haushalte verschickt wurde, schreibt der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung: „Jeder Mensch hat eine Familie. Und jede Familie fühlt sich anders an – sie ist groß, klein, traditionell, modern, zerstritten, harmonisch, kaputt oder heil – vielleicht sogar vieles davon gleichzeitig“. Jung betont in seinem Schreiben, dass für die evangelische Kirche nicht die Form des Zusammenlebens wichtig sei, sondern, „dass sich Menschen, aufmerksam über Generationen und Verwandtschaftsgrade hinweg, in ihrer Familie umeinander kümmern. Die familiäre Vielgestaltigkeit in den Blick zu nehmen, ihre Möglichkeiten zu entdecken, und nicht das Eine gegen das Andere auszuspielen, ist ein wesentliches Ziel der Aktion. Zudem gibt es im Internetangebot Informationen zur Aktion. Speziell entstanden sind zudem ein Film und ein Lied.

 

Glossar – Was ist eigentlich….

Diversity

Diversity/Diversität beschreibt die Vielfalt sozialer Zugehörigkeiten, z.B. aufgrund von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung und Identität, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Behinderung. Der Diversityansatz zielt auf eine Wahrnehmung und Wertschätzung von Heterogenität sowie auf eine Abkehr vom Homogenitätsideal. Mit den Diversitydiskurs zeichnet sich ein Wandel der gesellschaftlichen Vorstellungswelt (symbolischen Ordnung) ab zu einer zunehmenden Anerkennung von sozialer Komplexität.

Neben einer ökonomischen Diversityorientierung (Diversity Management), die sich zur Gewinnmaximierung mit der Vielfalt der Mitarbeitenden, der Produkte sowie der Verbraucher_innen befasst, steht z.B. im Bildungssektor ein Ansatz, der sich stärker an Chancengerechtigkeit orientiert (Managing Diversity). Ihre Wurzeln hat die Diversityorientierung in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die im 20. Jh. gegen rassistische Benachteiligung aufgrund der Hautfarbe eintrat. Auch Paulus bemühte sich in 1. Kor 12 schon um eine Koordination der individuellen wie sozialen Vielfalt innerhalb der Gemeinde (Charismen; Gemeinde als Leib Christi).

Kritiker_innen sehen den Ansatz in der Gefahr, Gerechtigkeitsfragen ökonomischen Interessen unterzuordnen (Charta der Vielfalt, 2007) sowie Unterschiede festzuschreiben (zu essentialisieren), statt als Produkte sozialer Klassifikationsprozesse zu hinterfragen. Eine Würdigung von Vielfalt hat daher einherzugehen mit einer Analyse der Machtverhältnisse (Welche Strukturen und Leitbilder kommen welcher Gruppe zu Gute?) sowie der Einsicht, dass die Bedeutung sozialer Klassifikationen (Frau, Alter, Behinderter, Muslima), nicht statisch fest steht, sondern Unterschiede gemacht werden – bekräftigt oder auch verändert (doing diversity).

Ob die Genderkategorie ein (zentraler) Aspekt der Diversityorientierung ist oder diese umgekehrt in einem intersektionalen Genderansatz aufgeht, wird kontrovers diskutiert.

Seit 2006 gibt es in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das für die Kirchen mit Ausnahmeregelungen gilt. Es kommt bei Pfarrer_innen und Kirchenbeamt_innen nicht zum Tragen. Außerdem dürfen die Kirchen bei der Beschäftigung von Personal die Religionszugehörigkeit zum Kriterium machen.

 

Studienzentrum aktuell

Geschlechterbewusste theologische Sommerakademie

„Von Angesicht zu Angesicht – Visionen von Liebe und Gerechtigkeit“ lautet der Titel der geschlechterbewussten theologischen Sommerakademie auf Schwanenwerder. Vom 1. bis 3. Juli geht es in Berlin unter anderem um Fragen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher ethnischer und sozialer Herkunft. Auf der Basis einer geschlechterbewussten Exegese des ersten Briefs an die Gemeinde in Korinth treten die Vorträge und Workshops in einen Dialog mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen ein.

 

Geschlechterbewusster Blick auf Glaubenskursangebote

Das Studienzentrum hat bestehende Glaubenskursangebote nach Kriterien der geschlechterbewussten Hermeneutik untersucht und Empfehlungen zur Aktualisierung erarbeitet. Grundlegend für geschlechterbewusste Hermeneutik ist das Bewusstsein für die Vorläufigkeit aller Antworten, die Glaubenskurse auf Glaubensfragen bieten. Auf diesem Verständnis aufbauende Grundkriterien wurden ermittelt und stehen nun online zur Verfügung.

 

Frauenmahl – eine Initiative des Studienzentrums

Publikation zum Frauenmahl vorbestellen

Die Publikation „reden.essen.reformieren“ erscheint zum 30. Oktober 2016. Zusammengefasst werden die Ergebnisse der Internetseite www.frauenmahl.de. Sie wird voraussichtlich 96 bebilderte Seiten enthalten. Zu erwerben ist die Publikation beim Studienzentrum für Genderfragen für 9,90 Euro. Gerne können Sie schon Exemplare vorbestellen. Bitte schreiben Sie eine Nachricht an info@sfg-ekd.de

 

Termine der nächsten Frauenmahle

24.06.2016 Husum

25.06.2016 Konstanz

12.08.2016 Radebeul

08.10.2016 Torgau, Schloss Hartenfels

21.10.2016 Eisenach

21.10.2016 Freiberg, Ratskeller

28.10.2016 Neustadt an der Weinstraße

03.11.2016 Vorderer Odenwald

Weitere Termine und Informationen bekommen Sie im Studienzentrum:  Tel.: 0511-554741-34 oder per E-Mail: info@sfg.ekd.de und auf der Seite www.frauenmahl.de  

 

Veranstaltungs-Tipps 2016

14. 6. 2016, 9 bis 16 Uhr |Vulnerabilität – Verletzlichkeit, Verwundbarkeit, Abhängigkeit, Tagung des Netzwerkes Geschlechterbewusste Theologie, Ort: Kirchliche Pädagogische Hochschule, Singerstraße 7, Mittlerer Saal, 1010 Wien, Anmeldungen an martin.fischer@kphvie.ac.at

1. - 3. 7. 2016 | Von Angesicht zu Angesicht (1 Kor 13,12). Visionen von Liebe und Gerechtigkeit, Geschlechterbewusste theologische Sommerakademie, Ort: Ev. Bildungsstätte auf Schwanenwerder

8.-10. 7.2016 | "Total von der Rolle. Gender in den Medien", Religionspädagogische Tagung,, Ort: Ev. Akademie Hofgeismar

2.-4.9.2016 | „Die verborgene Macht der Scham. Ehre, Scham und Schuld im alten Israel, in seinem Umfeld und in gegenwärtigen Lebenswelten“, Forschungskolloquium, u.a. mit Claudia Janssen, Ort: Marburg, Alte Universität, Raum AU 01006, Anmeldung und Infos: schoenfe@staff.uni-marburg.de

30.9.-2.10.2016 | „Nicht jüdisch noch griechisch“ - Rassismuskritische Perspektiven auf Selbstbilder und Abgrenzungsmuster, Tagung, Ort: Ev. Bildungsstätte auf Schwanenwerder

17. – 19.10. 2016 | Birthing the sermon, Tagung für Predigtinteressierte, Ort: Zentrum für evangelische Predigtkultur Wittenberg

4.-6.11.2016 | „Schrift im Streit - jüdische, christliche und muslimische Perspektiven", Tagung des ESWTR, Ort: Schloss Rauischholzhausen, Schlosspark 1, 35085 Ebsdorfergrund

17. – 18.11.2016 | FemiCare & MascuWork – Geschlechtlichkeit im Feld der Sorgearbeit, Tagung vom Bayerischen Forschungsverbund ForGenderCare. Ort: Universität Landshut

 

Filmtipp

„Geschlechter haben keine Farben. Kinder sind Kinder und sollten ohne Vorurteile und Geschlechterklischees aufwachsen“, findet die Bloggerin Natürlich Anna. Deshalb hat sie einen Film gemacht und ihn für alle zugänglich auf der Internetplattform youtube zur Verfügung gestellt. „Ich erziehe mehrfarbig – Geschlechter haben keine Farben“ räumt einfach und eindringlich mit Klischees auf.

 

Lesetipps

Isabelle Noth, Ueli Affolter (Hg.): Schaut hin! Missbrauchsprävention in Seelsorge, Beratung und Kirchen. Zürich 2015

Hella Ehlers, Claudia Kalisch, Gabriele Linke, Nadja Milewski, Beate Rudlof, Heike Trappe (Hg.): „Migration - Geschlecht – Lebenswege - Sozial- und geisteswissenschaftliche Beiträge“, aktuelle Studien zum Thema Geschlecht und Migration, ist Ende 2015 im LIT Verlag erschienen. Zu den Untersuchungsgegenständen gehören Motivationen und Kontexte für Migration, gravierende Veränderungen in den Lebenswegen von Migrantinnen und Migranten, der Wandel tradierter Geschlechterrollen durch Migration sowie die Repräsentation dieser Phänomene in Literatur und Fernsehfilm.

HorinzontE, Magazin der Oldenburgischen Landeskirche zum Thema „Da ist noch mehr Mann noch Frau – Frauenbilder in Bibel, Kirche und Gesellschaft“,

 

queer gedacht

 „Wissen Sie, ich bin ja nicht verrückt. Ich bestreite keineswegs, dass es biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Doch wenn wir sagen, es gibt sie, müssen wir auch präzisieren, was sie sind, und dabei sind wir in kulturelle Deutungsmuster verstrickt.“

Judith Butler im Interview über die Genderfrage mit dem „Philosophie Magazin“ (1/2016)


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Publikationsdatum dieser Seite: Dienstag, 8. August 2023 15:21